Erika Kassnel-Henneberg
Erika Kassnel-Henneberg

Hallo Erika , ich freue mich, das Du Dir die Zeit genommen hast für ein Interview mit koku. Nicht nur die Künstler wollen etwas mehr von Dir wissen, über Deine Arbeit, was Du denkst und fühlst, sondern auch die Kunstinteressierten wollen wissen, wer „hinter den Bildern steht“.

Beginnen wir zunächst mit dem von Dir ausgewählten Eingangsbild.

 

 

Ohne Makel II, fotografische Collage, 2011
Ohne Makel II, fotografische Collage, 2011

 

Meine erste Frage: Was ist der Hintergrund zu dieser Arbeit?

 

Die fotografische Kollage „Ohne Makel II“ ist der Versuch, sich dem physischen und psychischen Schmerz in Bildern anzunähern. Nicht das Gefühl als solches steht im Mittelpunkt, sondern der Schmerz als unvermeidbarer Bestandteil menschlicher Existenz: Er hinterlässt seine Spuren – innerlich und äußerlich –, bringt Verzweiflung, Tod, aber auch Freude und Leben. Er ist prägend im Positiven als auch im Negativen, daher ohne Wertung, und daher „ohne Makel“. Die Arbeit besteht aus 15 Einzelaufnahmen auf „Tapete“.

 

Gab es für Dich einen bestimmten Grund oder Anlass für diese Arbeit?

 

Ja , es ist eine Art Aufarbeitung von persönlich Erlebtem, und gleichzeitig eine Versöhnung damit.

 

Handelt es sich hier um Dein Lieblingsbild oder welches ist Dein Lieblingsbild, kannst Du uns dies eventuell auch vorstellen ?

 

Rasmus ist eines meiner vielen Lieblingsbilder. Es gehört zu einer Fotoserie aus 11 Fotografien. Die Serie heißt „Sommer-Reigen“ und ist eine Studie über kindliche Sommerfreuden. Dieses Bild verkörpert für mich das Mysterium „Kind sein“. Wie anders sieht die Welt aus Kinderaugen aus – wollen wir hoffen, dass sie schön ist!

 

 

Rasmus, aus "Sommer-Reigen", Fotografie, 2011
Rasmus, aus "Sommer-Reigen", Fotografie, 2011

 

 

Wie bist Du überhaupt zur Kunst gekommen ? Ist es erbliche Veranlagung, war es ein bestimmtes Ereignis ?

 

Ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem nur die elementaren Dinge des Lebens von Bedeutung waren – Museumsbesuche gehörten nicht dazu. Meine Mutter sagte immer, dass ich so schön zeichnen kann wie mein Großvater. Mit der Kunst bin ich eigentlich erst in den letzten Schuljahren kurz vor dem Abitur in Berührung gekommen. Ich konnte von Cézanne und Picasso nicht genug bekommen, sodass ich beschloss, mich auch beruflich damit auseinander zu setzen. Meine sehr bodenständige Natur hat mir damals das Kunststudium verboten. Stattdessen erlernte ich zunächst ein Kunsthandwerk und studierte später Restaurierung. Ich habe aber während all dieser Jahre nie aufgehört, selbst kreativ zu sein. Mit der Babypause fing ich endlich an, meinen Lebensinhalt neu zu überdenken und begann, mich intensiv mit Drucktechniken und der Fotografie zu befassen.

 

Kunst ist zwar nicht koku, aber koku steht auch für Kunst. Wie bist Du zu koku gekommen ?

 

Ich wurde von Lisa Winter eingeladen, wir haben uns über mygall gefunden. Vielen Dank, liebe Lisa!

  

Hast Du bestimmte Vorbilder bei deiner Arbeit ?

 

Es gibt einige Künstler, die ich sehr bewundere, wie zum Beispiel Man Ray, Frieda Kahlo, Joyce Tenneson, Karl Blossfeld, Paul Klee, Panamarenko…. Sie machen mir Mut, experimentierfreudig und kindlich zu bleiben.

 

Fließt davon etwas bei Dir in Deinen Stil ein und kannst Du dies eventuell an einem Beispiel verdeutlichen ?

 

Bei Joyce Tenneson fasziniert mich das Feine, Subtile. Ihre Fotografien wirken malerisch und märchenhaft-entrückt, auch wenn sie ganz Banales abbilden. Dieses Empfinden, das sie mir als Betrachter entlocken, versuche ich auch in meinen Arbeiten nachzuspüren.

 

Spaziergang mit Gänsen, Fotografie, 1999
Spaziergang mit Gänsen, Fotografie, 1999

 

 

Beschreibe doch Deinen Stil etwas genauer. Wie gehst Du an die Entstehung eines Werkes ran ?

 

Meine Motive finde ich meist im Alltag: ein unspektakuläres Stillleben, eine Schnecke im Blumenbeet, eine Baustelle vor dem Haus meiner Eltern, die Kinder beim Spielen, und so weiter. Ich krame auch mal ganz gerne im Familienalbum, da viele Themen auf Erlebtes und Vergangenes zurückgreifen.

Außerdem „bette“ ich meine Fotografien gerne ein. Das heißt ich präsentiere sie auf einem gemusterten Untergrund – das nimmt ihnen das Dokumentarische. Assoziationen entstehen, wie zum Beispiel Bilder, die an einer tapezierten Wand hängen oder Fotografien, die auf Omas geblümter Tischdecke liegen. Vielleicht ist meine Vorliebe für Muster aber auch auf meine folkloristische Ader zurückzuführen…

 

 

ist, aus "hinter Gärten", Fotografie, 2011
ist, aus "hinter Gärten", Fotografie, 2011

 

 

Der Leser würde sicherlich gerne wissen, wo Du Deine Inspirationen für die Fotografien hernimmst.

 

Meine Inspirationen finde ich im Alltag, im Haus, im Garten, bei meiner Familie. Ich lasse mich aber auch gerne von anderen Künstlern inspirieren.

  

Und wo arbeitest Du ? Hast Du ein eigenes Atelier ?

 

Ich arbeite ständig und überall, da ich meine Motive ja im Alltagsgeschehen finde. Das bedeutet auch, dass ich meinen Fotoapparat oft dabei habe, wenn ich mit den Kindern unterwegs bin. Aber natürlich sitze ich auch viel vor dem Computer, wo ich meine Fotos archiviere und bearbeite, oder im Internet über bestimmte Themen recherchiere.

  

Gibt es bestimmte Themenbereiche, die Du immer wieder in deinen Arbeiten aufgreifst ? Oder gibt es Zeitabschnitte, in denen Du bestimmte Themen bevorzugst oder bevorzugt hast ?

 

Ja, natürlich gibt es Zeiten für bestimmte Themen. Meistens „kommt“ das Thema zu mir, das heißt, ich suche es nicht oder konstruiere es mir. Dann widme ich mich diesem Thema sehr intensiv und komme auch relativ schnell wieder zu einem Abschluss.

Meine Themen sind meist sehr persönlich, und beschäftigen sich mit der Frage nach Identität, Heimat, Geborgenheit….

 

Rosmarin, Illustration zu einer Ballade, aus: "von rosen und krentzelein", fotografische Collage, 2010
Rosmarin, Illustration zu einer Ballade, aus: "von rosen und krentzelein", fotografische Collage, 2010

 

 

Beeinflusst Dich die Umwelt, politische oder soziale Themen oder ähnliches, oder versuchst Du mit deinen Werken ein Freiraum der Entspannung, des Abschaltens zu schaffen ?

 

Meine Arbeiten zielen darauf ab, beim Betrachter bestimmte Assoziationen und Gefühle hervorzurufen; das kann Freude und Entspannung sein, weil sich beispielsweise jemand an seine eigene Kindheit zurückerinnert fühlt. Es kann aber auch aufwühlen, nachdenklich oder traurig machen, wenn ich den Betrachter mit meinen Bildern getroffen habe.

 

Es heißt immer wieder, Künstler wären Chaoten. Gerne wird dabei auf die Bilder aus Ateliers verwiesen, wo scheinbar niemand mehr etwas finden kann. Wie steht es bei Dir damit ?

 

Ja, auf meinem Schreibtisch sieht es sehr chaotisch aus, aber nur für einen Außenstehenden. In Wahrheit herrschen hier eigene Gesetze….

 

Hast Du noch Zeit zu lesen oder Musik zu hören ?

 

Ja, unbedingt! Für mich stehen Literatur und Musik fast gleichwertig neben der visuellen Kunst. Ich höre auch immer Musik, wenn ich am Computer arbeite.

Lyrik spielt übrigens in meinen Arbeiten ebenfalls eine wichtige Rolle. Oft sind es altertümliche Gedichte, Balladen, Volkslieder, die mich inspirieren. Die Texte selbst sind dann ein wichtiges typografisches Gestaltungselement.

 

Was sind Deine Lieblingsautoren ?

 

Herta Müller, John Irving, Friedrich Dürrenmatt und viele mehr

 

Dürrenmatts "Der Richter und sein Henker" gehört zu meinen Lieblingswerken.  - Und wessen oder welche Musik hörst Du am liebsten ?

:

Ich habe eine Vorliebe für Jazz, aber auch für alles andere, das jenseits vom Mainstream liegt: Goldfrapp, Gustav, Nick Cave, Tom Waits, Quadro Nuevo usw.

  

Bei koku2012 wird es auch Musik und Lesungen geben. Wirst Du selbst anwesend sein und ausstellen oder virtuell ausstellen?

 

Ich will versuchen, anwesend zu sein. Ich möchte es aber auch nicht versäumen, virtuell auszustellen.

  

Was hältst Du von der Idee, ein Künstlerfestival über eine ganze Region zu veranstalten und - wenn Du teilnimmst - was erwartest Du davon und dort ?

 

Die Idee finde ich super! Angesichts der Herkunft einiger Künstler muss man fast schon von einem internationalen Festival sprechen. Und es ist natürlich toll für alle Kunstinteressierten aus der Region so ein Festival geboten zu bekommen, ganz zu schweigen von den Künstlern, die sich gegenseitig einmal kennenlernen und austauschen können…

Welcher logistische Aufwand dafür notwendig ist, kann ich nur wage ahnen. Hut ab vor denen, die dies alles ermöglichen!

 

Gibt es ein Motto oder eine Lebensweisheit bei Dir ?

 

Wer wagt, gewinnt.

 

Und wer nicht wagt, der nicht gewinnt.  Das könnte auch das Motte des Events sein. -  

Worauf kommt es Dir im Leben an ?

 

Zu wissen, wo man hin gehört.

 

Fremdkörper, Detail aus "Bine atvenit - Gut, dass du da bist", Collage, 2011
Fremdkörper, Detail aus "Bine atvenit - Gut, dass du da bist", Collage, 2011

 

 

Nun noch einmal zur Kunst und zu Dir. Wo kann man Deine Werke sehen – und hier darfst Du ruhig auch durch Angabe z.B. eines Internetportals „Schleichwerbung“ machen.

 

Natürlich bei koku. Weitere Arbeiten sind auf meiner Webseite zu sehen. Dort gibt es auch Hinweise über aktuelle Ausstellungen, sowie Online-Shops, in denen man eine kleine Auswahl meiner Arbeiten in hoher Auflage und damit zu erschwinglichen Preisen erwerben kann.

www.kassnel-henneberg.de

 

Ich denke, der Leser hat nun einen Eindruck von Dir gewonnen und kann Deine Bilder auch besser verstehen. Vielleicht hast Du aber noch etwas für den Leser mitzuteilen ?

 

Dem Leser wünsche ich, weiterhin neugierig zu bleiben, und möglichst viele Veranstaltungen dieses tollen Events zu besuchen!

 

Diesen Wünschen schließe ich mich an. Ich darf mich bei Dir für das Interview bedanken und wünsche Dir weiter viel Freude und Erfolg bei der Kunst.

 

Vielen Dank!

 

Vergessen, Fotografie, 1999
Vergessen, Fotografie, 1999